Die Impfthematik auf Telegram

Der Messenger-Dienst Telegram ist unter Massnahmen-Gegner:innen beliebt. Während andere soziale Medien ihre Inhalte zunehmend moderieren, ist Telegram eine Plattform, die nicht gegen Desinformation und Hassbotschaften vorgeht. Entsprechend finden dort Inhalte und Ansichten Platz, die in anderen sozialen Medien oder journalistischen Medien nicht zu finden sind. In diesem Blogpost beleuchten wir den Impfdiskurs in 15 ausgewählten Schweizer Telegram-Kanälen und vergleichen diesen mit dem Diskurs in 13 journalistischen Medien und jenem in der Schweizer Twitter-Sphäre. Der Vergleich zeigt sehr unterschiedliche Verläufe. Während die Aufmerksamkeit für das Impfthema in den journalistischen Medien und auf Twitter seit Anfang Jahr deutlich schwindet, bleibt sie in den Telegram-Kanälen trotz Rückgang relativ hoch.

Abbildung 1: Anteil der Nachrichten/Posts mit einem Impf-Bezug in den journalistischen Medien, Twitter und Telegram. Die Werte wurden geglättet zu einem gleitenden 14-Tages-Durchschnitt.
Lesebeispiel: Anfang Januar 2021 bezogen sich täglich bis zu 5 Prozent aller Tweets von Schweizer Accounts auf die Impfthematik.

Die meisten der 15 untersuchten Deutschschweizer Telegram-Kanäle wurden erst nach Beginn der Pandemie ins Leben gerufen. Weil sie zum Teil spezifische Themenschwerpunkte haben (z. B. Nebenwirkungen der Impfung oder die Vernetzung von Ungeimpften), variiert ihr Anteil von Posts mit Impf-Bezug stärker als bei journalistischen Medien. Sie alle eint jedoch eine deutlich ablehnende Haltung gegenüber dem «Mainstream», so auch gegenüber den klassisch-journalistischen Medien.

Die Impfung ist auf Telegram die mit Abstand am stärksten thematisierte pandemische Massnahme. Zu Beginn der Pandemie war zwischenzeitlich das Tragen von Gesichtsmasken als Thema dominant. Ab Dezember 2020 gewann die Debatte um die Impfung an Bedeutung, nachdem erste Impfstoffe entwickelt wurden. In den journalistischen Medien und auf Twitter sind ähnliche Verläufe zu erkennen (lesen Sie dazu unseren Blogpost zur Impf-Berichterstattung in Online-Medien).

Abbildung 1 zeigt den Anteil der Nachrichten/Posts mit einem Impfbezug in den jeweiligen Arenen – journalistische Medien, Twitter und Telegram – im Zeitverlauf. Die Thematisierungsintensität verlief in den drei Arenen zunächst relativ ähnlich. Im Frühling 2021 trennte sich der Verlauf in Telegram jedoch von jenen in den journalistischen Medien und Twitter. Zeitweise machten Posts zur Impfung in den analysierten Telegram-Gruppen über einen Drittel aller Nachrichten aus. Bemerkenswert ist ausserdem, wie parallel die Kurven von Twitter und den journalistischen Medien verlaufen. Die Dynamik in den analysierten Telegram-Kanälen scheint hingegen einer ganz eigenen Logik zu folgen. Dies zeigt sich auch am Schluss des Erhebungszeitraums: Während die Aufmerksamkeit für das Impfthema in den journalistischen Medien und Twitter mit den Lockerungen der Massnahmen im Januar und Februar 2022 deutlich schwindet, ist sie in den Telegram-Kanälen trotz Rückgang noch relativ hoch.

Was steckt hinter dem starken Anstieg der Impfthematik in Telegram-Kanälen?

Abbildung 2: Zeitverlauf der Subthemen innerhalt der Impfthematik in den 15 untersuchten Telegram-Kanälen.
Lesebeispiel: Anfang Juli 2021 betrafen über 6 Prozent aller Telegram-Posts in den 15 untersuchten Kanälen das Thema Nebenwirkungen.

Abbildung 2 zeigt den Zeitverlauf verschiedener Subthemen innerhalb der Impfthematik in den 15 untersuchten Telegram-Kanälen. Hier zeigt sich, dass ab Sommer 2021 die Thematisierungen von Impf-Nebenwirkungen und eine mögliche Impfpflicht zu einem starken Anstieg der Beiträge geführt hat. Im Herbst 2021 wurde zudem das COVID-Zertifikat, mittels welchem nur geimpfte, genesene oder getestete Personen zu bestimmten Veranstaltungen und Einrichtungen zugelassen werden konnten, zum Thema.

Eine inhaltliche Betrachtung der untersuchten Posts zur Impfthematik macht deutlich, dass die Eliten- und Behördenkritik auf Telegram besonders dominant ist und dies die Diskursdynamik stark bestimmt. Es kann angenommen werden, dass diese Elitenkritik nicht wegbricht, sollte sich die Situation um die Pandemie entschärfen. Anzunehmen ist, dass sich das Misstrauen gegenüber den Behörden an anderen Themen zeigen wird (z.B. der Russischen Invasion in der Ukraine).

Datenbasis

Das Sample beinhaltet alle Artikel der 13 reichweitenstärksten Onlinemedien der Deutschschweiz, Deutschschweizer Tweets sowie alle Posts von 15 Deutschschweizer Telegram-Kanälen von März 2020 bis Februar 2022.

Journalistische Medien: 20Minuten, Aargauer Zeitung, Basler Zeitung, Berner Zeitung, Blick, Bluewin, Luzerner Zeitung, NZZ, SRF, Tagblatt, Tages Anzeiger, Watson und Südostschweiz
Twitter: alle auf Deutsch verfassten Tweets von rund 296’000 Schweizer Twitter-Accounts
Telegram: 15 öffentliche, Deutschschweizer Telegram-Kanäle mit einer durchschnittlichen Reichweite von rund 14’000 Views (dieser Wert variiert von 1’880 bis 68’360 zwischen den untersuchten Kanälen)

Die untersuchten Telegram-Kanäle wurden mittels eines Schneeball-Verfahrens ausgewählt. Ausgehend von ausgewählten Kanälen aus einem Artikel der Neuen Zürcher Zeitung vom März 2021 wurden Daten weiterer, verwandter Kanäle gesammelt. Für das finale Sample wurden alle Kanäle berücksichtigt, die ein Mindestmass an Schweiz-Bezug, Anzahl Posts und Reichweite aufwiesen.

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