Moderna, Pfizer oder AstraZeneca?
Wie unterschiedliche Impfstoffe in Schweizer Medien thematisiert werden

Die Pandemiebekämpfung der Schweiz stützt sich inzwischen stark auf die laufende Impfkampagne. Für einen umfassenden Schutz der Gesamtbevölkerung sollen sich möglichst viele Leute impfen lassen. Das öffentliche Vertrauen in die Impfstoffe ist somit zentral. Doch Vertrauen in die Impfung kann kaum über eigene Erfahrungen entstehen. Entscheidend sind aggregierte Erfahrungen, die in Studien gesammelt und über Organisationen und Medien vermittelt werden. Dementsprechend spielen Medien im Aufbau dieses Vertrauens eine wichtige Rolle. Wie also werden die Impfstoffe in den Medien thematisiert? In diesem Beitrag betrachten wir die Berichterstattung zu den einzelnen Impfstoffen genauer.

Abbildung 1: Berichterstattung zu den einzelnen Impfstoffen seit Beginn der Pandemie. Die Kurve «alle Impfstoffe» umfasst alle Artikel aus 12 Deutschschweizer Medientiteln, welche mindestens einen der untersuchten Impfstoffe nennen. Die Werte wurden geglättet zu einen gleitenden 30-Tages-Durchschnitt.
Lesebeispiel: Anfang Februar 2021 bezogen sich täglich bis zu 15 Artikel auf den Impfstoff von Moderna.

Die Schweizer Impfkampagne hat jüngst an Fahrt aufgenommen. Über ein Viertel der Bevölkerung ist bereits mindestens einmal geimpft. Verschiedene Kantone haben begonnen, Impftermine für alle Personen ab 16 Jahren zu öffnen. Die Schweiz setzt bei der Impfung derzeit zwei Impfstoffe ein: jenen des amerikanischen Biotechnologieunternehmens Moderna und einen weiteren der amerikanisch-deutschen Kollaboration Pfizer/BioNTech. Beide Impfstoffe wurden bisher zu fast gleichen Teilen eingesetzt. Doch es gibt noch zahlreiche weitere Impfstoffe gegen Covid-19. Das Vereinigten Königreich und weitere europäischen Staaten setzen primär den Impfstoff des britisch-schwedischen Pharmaunternehmens AstraZeneca ein. China (Sinovac, Sinopharm and CanSino) und Russland (Sputnik-V) haben ihre eigenen Impfstoffe, die sie auch an weitere Länder, etwa in weiten Teilen Südamerikas, liefern. Dazu kommen viele Impfstoffe, die sich noch in Entwicklung, klinischer Prüfung oder Zulassungsverfahren befinden.

Eine Betrachtung der Thematisierung der einzelnen Impfstoffe seit Beginn der Pandemie (Abbildung 1) zeigt, dass die beiden in der Schweiz verwendeten Impfstoffe von Pfizer/BioNTech und Moderna mit Abstand am meisten Aufmerksamkeit in Schweizer Medien erhalten. Dies seit dem 9. November, als Pfizer/BioNTech als erste Impfstoffentwickler vielversprechende Ergebnisse ihrer Wirksamkeitsstudie verkündeten. Zuvor waren die Impfstoffhersteller bis auf eine kurze Phase im August 2020 kaum Thema in den Medien.

Abbildung 2: Berichterstattung zu den beiden in der Schweiz verwendeten Impfstoffen von Pfizer/BioNTech und Moderna. Die Kurven umfassen alle Artikel aus 12 Deutschschweizer Medientiteln, welche den jeweiligen Impfstoff mindestens einmal nennen. Die Werte wurden geglättet zu einen gleitenden 30-Tages-Durchschnitt.
Lesebeispiel: Anfang Februar 2021 bezogen sich täglich bis zu 15 Artikel auf den Impfstoff von Moderna.

Die erste kurze Aufmerksamkeitsphase für Moderna entstand im Zusammenhang mit dem globalen Wettbewerb um eine schnelle Impfstoffentwicklung (Abbildung 2). Mitte Mai 2020 wurde bekannt, dass die USA Druck auf das Schweizer Unternehmen Lonza machten, um privilegiert mit Impfdosen beliefert zu werden. Lonza stellt für Moderna Impfstoffe in Visp (VS) her. Im August 2020 machte wiederum Moderna Schlagzeilen, als der Bund den ersten Impfstoff-Vertrag für 3 Millionen Moderna-Impfdosen verkündete. Als Pfizer/BioNTech Mitte November Befunde eines hohen Impfschutzes aus ihrer Wirksamkeitsstudie bekannt gaben, befeuerte das die Berichterstattung über Impfstoffe generell. Obwohl Moderna nur eine Woche nach Pfizer/BioNTech ebenfalls gute Wirksamkeitsdaten präsentierten konnte und in der Schweiz in gleichem Masse zur Anwendung kommt, erhielt das Unternehmen konstant weniger mediale Aufmerksamkeit als Pfizer/BioNTech. Es fällt jedoch auf, wie ähnlich die Kurven der beiden Impfstoffe verlaufen. Treiber der Berichterstattung waren neben allgemeiner Berichterstattung über die Wirksamkeitsstudien und die Umsetzung der Schweizer Impfkampagne die folgenden Ereignisse: die erste Impfung in Grossbritannien (Pfizer/BioNTech), die erste Zulassung in der Schweiz (Pfizer/BioNTech), die erste Impfung in der Schweiz (Pfizer/BioNTech), der offizielle Start der Schweizer Impfkampagne, die Schweizer Zulassung für Moderna, Lieferengpässe (primär Pfizer/BioNTech), zusätzliche Lieferverträge (unter anderen Moderna) sowie die dritte Schweizer Zulassung für Johnson & Johnson (dieser Impfstoff wird jedoch in der Schweiz nicht verwendet).

Abbildung 3: Berichterstattung zum in der Schweiz nicht zugelassenen, aber bestellten Impfstoff von AstraZeneca. Die Kurven umfassen alle Artikel aus 12 Deutschschweizer Medientiteln, welche den jeweiligen Impfstoff mindestens einmal nennen. Die Werte wurden geglättet zu einen gleitenden 30-Tages-Durchschnitt.
Lesebeispiel: Mitte Februar 2021 bezogen sich täglich bis zu 10 Artikel auf den Impfstoff von AstraZeneca.

Der Impfstoff von AstraZeneca wird auch viel thematisiert in den Schweizer Medien, obwohl er in der Schweiz noch keine Zulassung erhalten hat. Die Berichterstattung über diesen Impfstoff ist öfter getrieben von negativen Ereignissen oder kontroversen Meldungen (Abbildung 3). Am 16. Oktober hat der Bund zwar den Abschluss eines Liefervertrags mit AstraZeneca verkündet, dieser wurde jedoch kaum beachtet. Mit der Berichterstattung über den Impfstoff von Pfizer/BioNTech wurde auch AstraZeneca erstmals verstärkt aufgegriffen. Dies sowohl ab der ersten abgeschlossenen Phase-3-Wirksamkeitsstudie (Pfizer/BioNTech) als auch im Kontext der ersten Impfung in Grossbritannien (Pfizer/BioNTech). Anfang Februar sorgten Verwirrungen rund um die Wirksamkeit des AstraZeneca Vakzins (vermutete schwache Wirksamkeit bei Senior*innen, ungleiche Befunde in verschiedenen Studien) für Schlagzeilen. Ausserdem begann ein Europäischer Streit um Lieferverzögerungen, der noch viele Wochen andauern sollte. Hinzu kamen Zweifel an der Wirksamkeit der AstraZeneca Impfung gegen die südafrikanische Mutation des Virus auf. Die dritte Welle an medialer Aufmerksamkeit baute sich Ende März auf, als erste Berichte über Blutgerinnsel im Zusammenhang mit der AstraZeneca Impfung für Aufregung sorgten. In der Folge unterbrachen zahlreiche Europäische Staaten ihre Impfkampagnen mit AstraZeneca.

Abbildung 4: Berichterstattung zu den in der Schweiz nicht zugelassenen, nicht bestellten chinesischen (Sinovac, Sinopharm and CanSino) und russischen (Sputnik-V) Impfstoffen, den nicht zugelassenen aber bestellten Impfstoffen von Curevac und Novavax sowie des zugelassenen aber nicht bestellten Impfstoffes von Johnson & Johnson. Die Kurven umfassen alle Artikel aus 12 Deutschschweizer Medientiteln, welche den jeweiligen Impfstoff mindestens einmal nennen. Die Werte wurden geglättet zu einen gleitenden 30-Tages-Durchschnitt.
Lesebeispiel: Ende Februar 2021 bezogen sich täglich rund 3 Artikel auf den russischen Impfstoff Sputnik-V.

Die restlichen in diesem Bericht berücksichtigten Impfstoffe erhalten alle viel weniger mediale Aufmerksamkeit, zeigen zum Teil aber einen leichten Aufwärtstrend (Abbildung 4). Der Impfstoff von Johnson & Johnson erhielt Ende März die Schweizer Zulassung, wird jedoch nicht eingesetzt. CureVac und Novavax haben bereits Lieferverträge mit der Schweiz abgeschlossen, werden seither jedoch kaum thematisiert. Auch der russische Impfstoff Sputnik-V und chinesische Impfstoffe (Sinovac, Sinopharm and CanSino) werden nur am Rande behandelt.

Fazit

Diese Analyse zeigt, dass die Berichterstattung über die verschiedenen Impfstoffe in Deutschschweizer Medien von wenigen Impfstoffen, vor allem Pfizer/BioNTech und Moderna, dominiert wird. Zu Beginn der Impfkampagne wurden Pfizer/BioNTech in beinahe jedem Impfstoff-Artikel genannt. Zuletzt zeigte sich eine leichte Tendenz hin zu etwas mehr Aufmerksamkeit für andere Impfstoffe. Die Berichterstattung von Pfizer/BioNTech und Moderna war hauptsächlich von positiv konnotierten Ereignissen getrieben. AstraZeneca hingegen trat immer wieder im Zusammenhang mit negativ konnotierten Ereignissen in mediale Erscheinung.

Besonders auffällig ist ausserdem, wie entscheidend der «First Mover» Vorteil für Pfizer/BioNTech ausfiel. Obwohl Moderna den ersten Liefervertrag mit der Schweiz abschloss, in der Schweiz durch Lonza Impfdosen herstellen lässt und nur eine Woche nach Pfizer/BioNTech gute Wirksamkeitsdaten vorlegen konnte, erhielt das Unternehmen wesentlich weniger Aufmerksamkeit als Pfizer/BioNTech. Die erste umfassende Wirksamkeitsstudie, die erste Zulassung und die erste Impfung waren alles stark beachtete, medialisierte Ereignisse, die beim zweiten Mal kaum mehr Beachtung erhielten.

Datenbasis

Das Sample beinhaltet alle Artikel der 12 reichweitenstärksten Onlinemedien der Deutschschweiz. Es berücksichtigt verschiedene Medientypen und umfasst Abonnementsmedien, Pendlermedien und Boulevardmedien sowie die Portale der SRG SSR.

Mediensample: 20Minuten, Aargauer Zeitung, Basler Zeitung, Berner Zeitung, Blick, Bluewin, Luzerner Zeitung, NZZ, SRF, Tagblatt, Tages Anzeiger, Watson

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